Die Bewohner der Siedlung an der Rohrfurt ernährten sich, wie der weitaus größte Teil der damaligen Bevölkerung, ausschließlich vom Ackerbau und der Viehhaltung. Aus den früheren Knechten der Herren von Röhrenfurth waren "Bauern" geworden, die die ihnen zum Lehen gegebenen Ländereien zwar selbständig bewirtschaften konnten, aber durch eben diese Lehensverträge in ständiger Abhängigkeit vom Lehensgeber blieben. Sie waren sogenannte Hörige, die zu gehorchen und die mit dem Lehen verbundenen Dienste, Zehnten und sonstige Abgaben ohne Murren zu erbringen hatten.
Ganz zu Beginn der Besiedlung des Gebietes um Röhrenfurth wurden zunächst die waldfeindlichen Lößböden des Fulda- und Breitenbachtales bewirtschaftet. Bald musste man jedoch, um die zunehmende "Bevölkerung" zu ernähren, fruchtbarere Böden roden, urbar machen und unter den Pflug nehmen.
Es waren zunächst die Flächen in der Nähe der Ansiedlung, die heutigen Flurbezeichnungen "Hinter den Höfen", "die Daubenhecke" und das Gebiet zwischen dem Bahndamm und der "Empfershäuser Straße" mit seinen tiefgründigen, für den Getreideanbau besonders geeigneten Ländereien.
Angebaut wurden: Korn, Gerste, Hafer, Hirse, Andacht - eine auch Dinkel oder Spelz genannte Weizenart, bei der sich die Spelzen nur schwer vom Getreidekorn trennen ließen - in geringem Umfang auch Kohl, auch Hülsenfrüchte sowie Flachs (Lein).
Den hölzernen Pflug zogen Ochsen, denn nur wohlhabende Bauern besaßen Pferde. Die Bauernhäuser unterschieden sich wesentlich von den Hütten der anderen Einwohner. Auf steinernen Fundamenten stand das mit Gerten und Lehm ausgekleidete Fachwerk, geschätzt von einem tief herabgezogenen Strohdach, in dem auch in besonderen Verschlägen die Haustiere untergebracht waren, die im Winter für angenehme Wärme sorgten.
Zum Haus gehörte ein Garten, in dem die Würzkräuter gezogen wurden, die Obstbäume standen und auch Gemüsearten, die besonderer Pflege bedurften. Um die Familie zu nähren und zu kleiden, wurden alle Hände gebraucht, denn alles musste selbst hergestellt werden; ob es die Geräte für den Ackerbau waren oder für die Küche, die bescheidenen Möbel für das Haus oder Kisten und Kästen für die Aufbewahrung der Vorräte, das Kummet und das Joch für das Zugvieh oder Breche und Hechel für die Bearbeitung des Flachses, Spinnrad, Haspel und Webstuhl für die Herstellung der Kleidung oder Gabel, Rechen und Schaufel für die Heu- und Getreideernte. Holz war das bevorzugte Material. Hainbuche, Esche und Eiche für Gegenstände, die sehr beansprucht wurden, Linde, Weide und Nussbaum zum Schnitzen von Trögen, Mulden, Tellern, Gabeln und Löffeln, Schuhen und dergl.
Es gab zwar für die Herstellung aller dieser Dinge Handwerker, den Wagner und Stellmacher, Zimmerer, Maurer, Schmied, Böttcher, Schneider usw., aber auch damals galt: ohne Geld oder Naturalien keine Ware. Und beides war nicht im Überfluss vorhanden. Selbst die Kinder mussten vom frühesten Alter an helfen. Sie sammelten Früchte, Kräuter und Beeren, hüteten - wenn sie größer waren - das Vieh auf den Weiden und in den Wäldern und gingen den Eltern zur Hand. Ohne das Sammeln der Waldfrüchte, wie Bucheckern und Eicheln, der Würz- und Heilkräuter, der Wildgemüse, Heidelbeeren, Himbeeren und Brombeeren, hätten die Menschen nicht existieren können.
Aus Bucheckern wurde Öl geschlagen, mit Eicheln fütterte man die Schweine, wenn sie sich ihre Nahrung nicht selbst im Walde suchten (es dauerte daher mindestens zwei bis drei Jahre bis ein Schwein geschlachtet werden konnte). Würzkräuter machten die eintönige Kost schmackhafter; Heilkräuter waren für die Behandlung von Krankheiten und Wunden unentbehrlich.
Die Waldbeeren gaben eine schmackhafte Beilage zum Brot, auch verstand man, daraus einen kräftigen Wein zu keltern. All diese, von der Natur reichlich zur Verfügung gestellten Dinge, brachten, den Bürgern der nahen Stadt Melsungen angeboten, auch einen bescheidenen "Nebenverdienst", von dem dann vielleicht eine silberne Brosche, ein schönes Häubchen oder Halstuch für die Ehefrau oder Tochter und für den Hausherrn ein Hirschfänger oder eine wertvolle Klinge gekauft werden konnte.
Doch Haus und Hof und die Familie waren immer wieder von den ständigen Händeln, Fehden und Kriegen bedroht, die die Fürsten und Grafen unter sich oder mit den geistlichen Herren, den Bischöfen, austrugen und die die Untertanen aus den Dörfern und Städten auszufechten hatten.
Und wenn sich der Landgraf von Hessen dem Willen des Bischofs von Mainz nicht beugen wollte, wurde er aus erfundenen Gründen, einer kirchlichen Sünde oder 1385 gar der Schändung eines Klosters bezichtigt, dafür mit dem Bann belegt und, um ihm seine Untertanen abspenstig zu machen, sein Land mit dem Interdikt. Das Interdikt bedeutete das Verbot jeglicher kirchlicher Tätigkeit; keine Predigten, kein Glockenläuten, keine Beichten, keine Absolution, kein Beistand eines Priesters bei Beerdigungen, keine Taufen, keine Trauungen (also keine rechtmäßigen Eheschließungen). Wenn man bedenkt, welchen Einfluss die Kirche damals auf das gesamte Leben hatte, so sieht man, dass ein Interdikt eines der übelsten Mittel des politischen Machtkampfes der Kirche war. Es wurde oft erst dann aufgehoben, wenn der Bischof von Mainz mit Waffengewalt dazu gezwungen wurde.
Und hundert Jahre später berichtet der Chronist erneut von einem Krieg, den der Landgraf Balthasar von Thüringen zusammen mit Otto dem Quaden (dem dollen Otten zu Braunschweig) und dem Bischof von Mainz gegen Landgraf Hermann I. von Hessen führten. Auf der Seite des Landgrafen Hermann standen auch die Röhrenfurther Ritter Otto II. (der Älteste) und seine Brüder Eckhard (II.) und Friedrich, die in Gefangenschaft der Thüringer gerieten und sich loskaufen mußten. Die Kriegsschar zog 1382 durch das Fuldatal, eroberte zunächst Rotenburg und am nächsten Tag die Stadt Melsungen und rückte weiter auf Kassel vor, das aber vergeblich belagert wurde. Erstmals wird auch eine neue Kriegswaffe erwähnt, nämlich Kanonen mit denen ". . . der feindt über 200 büchsenstein jeder von hundert pfunden (welches stratagema und kriegslist kaum vor zweyen jahren erfunden) und daneben 500 feuerpfeile in die stadt geschossen . . . " und der Krieg "wehre auch noch übeler zugegangen, wan nicht die hefftige pestilentz so damaln nicht allein Teutschland, sondern auch die gantze welt durchwütete, die feinde das folgende jahr abgeschreckt hette."
Blättert man in der Chronik der damaligen Zeit, so gab es kaum einen längeren Zeitraum ohne Krieg, Fehde, Streit oder Gezänk. Jeder stritt gegen jeden, um seinen Besitz und damit seine Macht zu mehren. Und immer werden bei diesen Kriegen die Erzbischöfe und Kurfürsten von Mainz genannt, die keine Gelegenheit ausliegen, kräftig in die Flammen zu blasen.
In einem Feldzug gegen Mainz im Jahre 1427 erleidet Melsungen erheblichen Schaden, "denn der mainzische Feldherr, Graf Gottfried von Leiningen, überfiel die Stadt und ihre Nachbarschaft mit Feuer und Schwert". Die Leidtragenden waren wieder die Menschen in den Städten und Dörfern, denn "die verbrannten Melsungen, Felßberg und fast alle dörffer bis gen cassel. Weiln es ihnen nuhn so glücklich fortgieng, kam der Bischof in eigener persohn gen Fridslar un zündete an das dorf Udenborn".
Auch der "Hoffmeister, so ein Riedesel" wird gefangen genommen, und die "Herrn Hermann von Hornsberk, H. Hermann Riedesel (der spätere Schwiegersohn Eckhards II. von Röhrenfurth), H. Werner von Elben und H. Conrad Waldenstein, sämtlich erfarne ritter, mit einem kriegsvolck" überfielen und verheerten die Grafschaft Nassau. Auch die Truppen des Bischofs von Mainz, die hier gebrandschatzt hatten, wurden entscheidend geschlagen und es "haben mainzische Krieger niemals wieder gewagt, der Stadt (Melsungen) in feindlicher Absicht zu nahen".
Erstmals wird auch ein Röhrenfurther namentlich in einer Urkunde erwähnt. Der Bauer Tiele Gonderam, der ziemlich wohlhabend oder denen von Röhrenfurth besonders verpflichtet gewesen sein muss, schenkte dem Melsunger Katharinenaltar, den die Gebrüder Eckhard II. und Friedrich von Röhrenfurth im Jahre 1427 gestiftet hatten, zwei Acker seines Wendesdorfer Besitzes. Diese Art der Stiftungen war allgemein üblich und wer ausreichendes Vermögen besaß, versuchte sich hierdurch der Geistlichkeit genehm zu machen und für sein Seelenheil vorzusorgen.
Im Jahre 1432 stirbt Eckhard Il. von Röhrenfurth, und Hermann Riedesel tritt als Ehemann Margarathas von Röhrenfurth die Erbschaft an.
Die Einwohner unseres Dorfes werden anderen Herren dienstbar.